Grundlagen zur Medienerziehung

Das Verstehen und das Wissen um die Entwicklungsschritte des Kindes in Bezug auf dessen kognitiven, sozial und motorischen Fähigkeiten sowie der Sinneswahrnehmungen bezogen auf medienbezogenen Fähigkeiten, gibt uns Erziehungsberechtigten und Bildungsbeauftragten die notwendige Verständnisbasis. Der selbstständige Umgang mit digitalen Medien ist ein Entwicklungsprozess und kann durch frühe und gezielte Weichenstellungen in eine zielführende und verantwortungsvolle Nutzung gelenkt werden.

Die wichtigsten Entwicklungsschritte von Kindern:

Erste Woche

Kognitive – Sozial:

  • Die Basale Gedächtnisfähigkeiten erlauben dem Kind von Anfang an, aus Erfahrungen zu lernen.
  • Ausbildung der Eltern-Kind Bindung
  • Ausdruck von Zuneigung und Widerstand (z. B. durch Schreien, um Spannungen und Belastungen abzubauen)

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Bereits gut ausgebildete Nahsinne: Geruchs- und Geschmacks, sowie Haut- bzw. Tastsinn
  • Differenziertes Hörvermögen, Sehsinn noch sehr unreif
  • Angeborene Reflexe und zufällige, ungerichtete Bewegungen

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

  • Medien werden als Reizquellen wahrgenommen, die Tone, Geräusche oder Lichteffekte aussenden.
  • Ein bewusstes Reagieren und eine den Bedürfnissen entsprechende Regulierung sind nach nicht möglich.
  • Das Kind drückt durch Schreien seine Überforderung bei Lichtreizen, lauten Tönen und Geräuschen aus.

 

  • Eltern sollten sensibel auf derartige Formen der Überforderung achten
Das erste Vierteljahr

Kognitive – Sozial:

  • Erkennen von engen Bezugspersonen auf Fotos
  • Größtenteils Beschäftigung mit sich selbst und mit Bezugspersonen
  • Einwicklung der Fähigkeit des sozialen Lächelns

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Erstes Unterscheiden von Farben
  • Wahrnehmung von Merkmalen verschiedener Formen
  • Kann den Kopf in verschiedenen Positionen halten und frei bewegen
  • Spiel v. a. mit den eigenen Händen

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Medien sind weiterhin in erster Linie Reizquellen. Tone, Licht und Farben ziehen die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich und es kann einzelne Formen und Farben grob unterscheiden, hat aber noch keine Möglichkelten, diese Reize kontextbezogen zu verarbeiten.

  • Eltern sollten darauf achten, Ihre Kinder möglichst wenig medialen Reizen auszusetzen, da sie vor allem damit beschäftigt sind, ihre physische Umgebung zu erfahren.
Das zweite Vierteljahr

Kognitive – Sozial:

  • Wiedererkennung unterschiedlicher Formen und vertrauter Personen auf Bilden
  • Aufmerksamkeitsspanne noch sehr gering
  • Zunehmendes Interesse für Umgebung und externe Objekte
  • Versuche, Gesten und Laute zu imitieren
  • Allmähliche Kontrolle sowie Ausdruck von Emotionen

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Erste bewusste Greifbewegungen
  • Vergrößerung des Aktionsradius durch Rollen oder Robben
  • Sitzen ist mit Unterstützung für kurze Zeit möglich
  • Bewegtes Objekt kann länger mit den Augen verfolgt werden

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Medien werden als Objekte wahrgenommen. Das Kind beobachtet den Umgang mit den Medien und macht erste Nachahmungsversuche: Greifen nach dem Mobiltelefon oder Nachahmen von Lauten bei einfachen Audio-Kassetten oder „Geräusche-Bilderbüchern".

  • Die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder ist nach sehr gering. Eltern sollten darauf achten, ihre Kinder nicht zu überfordern.
Das zweite halbe Jahr

Kognitive – Sozial:

  • Erste explizite Gedächtnisleistungen
  • Erwerb der Objektpermanenz
  • Verständnis für die doppelte Natur von Bildern ist nach nicht vorhanden, gegen Ende des ersten Lebensjahres wird die Fähigkeit der geteilten Aufmerksamkeit entwickelt
  • Gemeinsames Spielen gewinnt an Bedeutung
  • Zunahme sozialer und auf Gegenstände bezogener Mittel -Zweck-Interaktionen (,,Funktionslust“)
  • Erste Worte

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Verbesserung der Fähigkeit frei zu sitzen
  • Entwicklung des Pinzettengriffs
  • Fortbewegung durch Krabbeln; gegen Ende des ersten Jahres sind erste Schritte mit Unterstützung möglich

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Das Interesse für Medien als Gegenstände wächst. Sie werden als Spielzeug genutzt, aber noch ohne Erklärungsmöglichkeiten für bestimmte Effekte (z. B. nicht zielgerichtetes „Wischen" über das Tablet). Durch das anfangs nach fehlende Verständnis für die doppelte Natur von Bilden, versucht das Kind, auf Bildschirmen gesehene Objekte „herauszuholen“. Mit der Entwicklung der Fähigkeit zur geteilten Aufmerksamkeit wird das gemeinsame gezielte Betrachten von Bildern möglich.

Ein eigenständiger Umgang mit Medien ist noch nicht möglich, da grundlegende motorische Fertigkeiten und Verarbeitungsfähigkeiten noch fehlen. Aber das Kind hat nun die Möglichkeit zu zeigen, ob es sich mit Medien beschäftigen möchte oder nicht (z. B. durch gezieltes Greifen danach oder Wegschieben).

  • Eltern sollten in dieser Phase besonders darauf achten, wie das Kind mit ihnen über Medien als Gegenstande in Interaktion tritt und gemeinsame Aktivitäten stärken (z. B. Betrachten von Bildern, Vorlesen einfacher Geschichten).
  • Weiterhin gilt, sensibel bei Oberforderung zu reagieren.
Im 2. Lebensjahr

Kognitive – Sozial:

  • Aneignung von funktionellem Wissen und Levet-1-Perspektivenübernahme
  • Übergang zum symbolisch-repräsentationalen Denken
  • Verstehen der doppelten Natur von Bildern
  • Sprachliche Entwicklung: „Wortschatz-Explosion"
  • Bewusstsein über das Leben als soziales Gefüge
  • Neue Formen des Spielens: sensumotorisch, relational, funktional, symbolisch
  • Das Kind nimmt sich bis zum Ende des zweiten Lebensjahres selbst zunehmend als Individuum wahr

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Das Kind lernt laufen
  • Bewegungsabläufe mit den Händen werden erlernt

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Durch das Verständnis für die doppelte Natur von Bildern, der Fähigkeit, Vorstellungen zu entwickeln sowie allmählich Zusammenhänge und Abfolgen zu verstehen, wird ein wichtiger Schritt für das Verständnis von Medien gemacht: Einfache Bildergeschichten mit Nähe zum kindlichen Alltag kann das Kind verstehen. Viele Kinder machen nun erste Erfahrungen mit Bildern.

Basale Bewegungsabläufe wie Wischen oder Touchgesten auf Tablets wendet das Kind an, weil es diese Bewegungen nun grundsätzlich beherrscht. Sie sind aber nicht als zielgerichtete Nutzung von mobilen Medien zu verstehen.

  • Für Eltern ist es nun besonders wichtig, die Aufmerksamkeit der Kinder bei einfachen Geschichten zu lenken, bei Bedarf zu erklären und immer wieder Bezüge zu den Erfahrungen des Kindes herzustellen.
Im 3. Lebensjahr

Kognitive – Sozial:

  • Einfache Regeln werden verstanden
  • Sprache wird zum wichtigsten Mittel der Verständigung
  • Erste Regelspiele
  • Bildung erster Freundschaften Konzept des Selbst und Anwendung von „ich“ und „du“

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Weitere Formen der Fortbewegung wie Hüpfen und Rennen
  • Erweiterung der feinmotorischen Fähigkeiten

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Mit dem steigenden Interesse an anderen Menschen, der Entwicklung der Phantasie und der Sprache verändert sich die Bedeutung der Medien:

  • Das Kind macht erste Fernseherfahrungen.
  • Die Entschlüsselung einfacher medialer Botschaften wird möglich (einfach aufgebaute Geschichten und klare Figurenkonstellationen)
  • Einfache digitale Spiele werden verstanden.
  • Wiedergabefunktionen für Fotos oder Videos auf mobilen Medien werden entdeckt.
  • Kinder wenden sich nun zunehmend bewusst und zielgerichtet medialen Inhalten und Geräten zu und zeigen sich interessiert an spielerischen und kreativen Aktivitäten (wie z. B Fotografieren).
  • Eltern sind gefordert, diese aktive Auseinandersetzung zu fordern und ihre Kinder zu vielfaltigen Ausdrucksweisen anzuregen.
  • Aus medienpädagogischer Perspektive werden in unserer Einrichtungen Fragen des Medienumgangs und der Medienerziehung mit den Eltern zusammen thematisiert werden .
Kindergartenalter (ab 3 Jahren)

Kognitive – Sozial:

  • Symbolisches Denken verstärkt sich
  • Entwicklung der Theory of Mind
  • Erweiterter Aktionsradius durch Eintritt in den Kindergarten
  • Affektive Perspektivenübernahme möglich

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Beträchtliche Zunahme der grob- und feinmotorischen Fähigkeiten

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Die Symbolsysteme medialer Inhalte können immer besser entschlüsselt werden Voraussetzung dafür bleibt weiterhin eine einfache Erzählstruktur und der Bezug zur Lebenswelt der Kinder.

Tipp- und Wischbewegungen auf mobilen Medien werden gezielt eingesetzt.

Neben der Rezeption gewinnen Medien als Mittel für gestalterisch-produktives Handeln an Bedeutung.  

  • Die erworbenen Fähigkeiten können mit und über Medien erweitert werden.
  • Eltern und wir als Betreuungseinrichtung sind gefordert, die aktive Auseinandersetzung weiter zu fördern und ihre Kinder zu vielfaltigen Ausdrucksweisen anzuregen.
Vorschulalter (5/6 Jahre)

Kognitive – Sozial:

  • Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung nimmt zu
  • Taxonomische Begriffsbildung
  • Rekursives Denken und erstes Verständnis für Ironie
  • Sprache als wichtigster Informationsträger
  • Zunahme von Wissens-, Verständnis- und Sinnfragen

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Feinmotorische Fortschritte (z, B, Basteln, Turnen)

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Medien dienen als Wissensquelle, zur Orientierung, Unterhaltung und als Spielgeräte. Online-Angebote gewinnen zunehmend an Bedeutung

Da die Lese- und Schreibfähigkeiten noch nicht entwickelt sind, brauchen die Kinder die Unterstützung ihrer Eltern. Sie nehmen das Internet als Speicher für Filme, Spiele und Musik wahr, verstehen aber die Struktur des Internets noch nicht.

  • Eltern sind gefordert, ihre Kinder bei den ersten lnterneterfahrung zu begleiten
  • Während im Familienalltag der Vorschulkinder Medien fest verankert sind, wird Medienbildung in vielen Kindertagesstätten nur als grundständiges Thema betrachtet und hängt stark von den Einstellungen und Haltungen der Fachkräfte ab.
  • Auch viele Eltern selbst lehnen bei Kindern dieser Altersstufe den Einbezug digitaler Medien in den Betreuungseinrichtungen ab.
  • Es erscheint dringend notwendig, dass Institutionen und Fachkräfte in ihren medienerzieherischen Aufgaben unterstützt werden.
  • Es gilt, die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und außerfamiliärer Betreuung zu stärken, um einen souveränen Umgang mit Medien zu unterstützen.
Grundschulalter (7/10 Jahre)

Kognitive – Sozial:

  • Erfassung formaler Lerninhalte
  • Steigerung der Effektivität von Merken, des Abrufens von Gedächtnisinhalten und des lauten Denkens
  • Besseres Verständnis sowie Umsetzung von Regelstrukturen
  • Regelspiel erlangt besondere Bedeutung

 

Sinneswahrnehmung und motorische Fähigkeiten:

  • Höhepunkt der motorischen Entwicklungsfähigkeiten
  • Bewegung trainiert Wahrnehmungsfähigkeiten und unterstützt das Lernen geistiger Inhalte

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Die Medien werden zunehmend selbständiger für persönliche Interessen, schulische Aufgaben, zur Unterhaltung und zur Orientierung genutzt. Inhaltliche Interessen werden mit dem Medienumgang verknüpft (z B. aktives Ausüben von Sport und das mediale Verfolgen dieser Sportarten)

Der Stellenwert des Internets steigt. Mobile Medien und das Internet werden v. a. zum Spielen und zur Rezeption von Videos genutzt.

Die Kinder zeigen zunehmend Interesse für die kommunikativen Möglichkeiten der Medien

Fiktion und sozialer Realismus werden verstanden.

  • Auch die Eltern selbst sehen es nun als Aufgabe von Schule, den Kindern den Umgang mit dem Internet näherzubringen.
  • Sie sind zudem mit der Herausforderung konfrontiert, dass der Medienumgang nicht mehr in der Form wie bei Jüngeren kontrolliert werden kann, da die Kinder selbst mobile Geräte besitzen und die Eltern damit immer weniger Einfluss auf zeitliche und inhaltliche Nutzung haben.
Ende der Kindheit (11/12 Jahre)

Kognitive – Sozial:

  • Übergang von der Phase der konkreten Operationen zur Phase der formallogischen Operationen
  • Denken wird flexibler, hypothetischer und abstrakter
  • Selbstreflexion und Selbstkritik
  • Simultan wechselseitige Perspektivenübernahme möglich
  • Auseinandersetzung und Hinterfragen von sozialen Regeln

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Medien werden weitgehend selbständige genutzt.

Der Umgang mit Online-Angeboten und auch die Nutzung des eigenen Smartphones als Kommunikations-, Unterhaltungs- und lnformationsmedium ist für viele Kinder Bestandteil ihres Medienalltags. Die Bedeutung von Kommunikation und Beziehungspflege über Online-Medien steigt an und die Medien werden vermehrt zur Bewältigung des Alltags herangezogen.

Die Kinder gewinnen an Freiraumen für eigene Aktivitäten und gleichzeitig reduzieren viele Eltern ihre medienerzieherischen Aktivitäten in Bezug auf das Internet und die Nutzung mobiler Medien.  

  • Die Eltern sehen zwar die Notwendigkeit, sich weiterhin um den Medienumgang ihrer Kinder zu kümmern, gleichzeitig gelingt es ihnen immer weniger.
  • Von zentraler Bedeutung ist in dieser Altersstufe ein stabiles Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern. Die Eltern sollten die erste Anlaufstelle bei Problemen und Unsicherheiten sein.
Jugendalter (13/16 Jahre)

Kognitive – Sozial:

  • Fähigkeit des logisch-schluss-folgernden Denkens („Reasoning") und des wendigen Sprachgebrauchs (,,Verbal Abilily")
  • Ausbildung eigener Identität, Gefühl der Kohärenz
  • Orientierung an Peergroups
  • Abgrenzung von den Eltern

 

Medienbezogene Fähigkeiten:

Der Medienumgang wird vor allem von Gleichaltrigen gelernt. Das Smartphone ist ein persönlicher Gegenstand und Werkzeug für die Bearbeitung von jugendspezifischen Entwicklungsaufgaben außerhalb der Beobachtung und Kontrolle von Erwachsenen.

Es dient in Verzahnung mit Online-Angeboten in erster Linie zur Kommunikation und zum Beziehungsmanagement sowie zur Befriedigung eigener Interessen:

Jugendliche erweitern ihre medienbezogenen Fähigkeiten vor allem über den Austausch mit Gleichaltrigen.

Die Eltern kommen in der Meinung der Jugendlichen schlecht weg: Sie stellen Regeln auf, die die Jugendlichen nicht als sinnvoll erachten und kennen sich gerade mit den mobilen Medien nicht (genügend) aus.

  

  • Für die Eltern gilt es nun, die Bedürfnisse nach Autonomie zu respektieren. Basis dafür ist das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kindern, das bereits in frühen Jahren grundgelegt werden muss.
  • Zu beachten ist, dass sich das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Jugendlichen wandelt: Die Heranwachsenden werden nun endgültig zu Expertinnen und Experten in bestimmten Medienfragen, Eltern wie Fachkräften kommt aber weiterhin die erzieherische Aufgabe zu, Reflexionsprozesse zu unterstützen und bestimmte Dinge auch kritisch zu hinterfragen.

Quelle: Wagner, Ulrike; Eggert, Susanne; Schubert, Gisela (2016). MoFam – Mobile Medien in der Familie. www.jff.de/studie_mofam

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